German version

Murakami als mp3
 

Ich habe zweimal versucht, Erste Person Singular zu lesen, und beide Male das Buch vorzeitig zur Seite gelegt. Etwas an Murakamis Erzählweise langweilte mich – vielleicht wegen der fehlenden Spannung oder dieser langen, ergebnislosen Pausen zwischen den Sätzen. Später fragte ich mich, ob das Problem bei mir lag, bei den Geschichten oder einfach nur an unserer unterschiedlichen Perspektive.

Dieses Mal aber brachte mich ein krankheitsbedingter Zwangsurlaub dazu, das Buch ganz zu lesen. Ich finde, Murakami erzeugt in diesem Band eher Stimmungen als Geschichten. Es geht um ergebnislose Erinnerungen, Begegnungen, die ins Leere laufen, Frauen, die auftauchen und wieder verschwinden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Ich sagte zu einer Freundin: Solche Texte gelten nur dann als „Literatur“, wenn Murakamis Name draufsteht. Wäre es ein unbekannter oder weniger etablierter Autor gewesen, hätte vermutlich kein Verlag das Manuskript überhaupt zu Ende gelesen. Doch bei Murakami ist klar, dass er ein Schriftsteller ist – er muss uns nichts beweisen.

Mann in Anzug mit roter Krawatte, stehend vor einer Weltkarte im Hintergrund.

In fast allen Geschichten trifft der Erzähler auf eine geheimnisvolle Person. Meist zufällig. Ein kurzes Gespräch, eine flüchtige Erfahrung, ein vages Gefühl. Doch die Geschichte endet nicht – weder in dem Moment noch an dem Ort. Erst Jahre später, an einem ganz anderen Ort, hört der Erzähler etwas über diese Person oder stößt auf eine Spur von ihr.

Beziehungen beginnen, aber sie werden nie aufgebaut und nie wirklich beendet. Sie bleiben einfach liegen – und verfallen gewissermaßen mit der Zeit.

Murakami hat in einem Interview über dieses Buch gesagt, dass einige seiner Texte eher Essays oder Notizen seien als klassische Erzählungen: persönliche Erfahrungen, so oft neu gedacht und imaginär durchgespielt, bis sie in eine neue, erzählerische Form finden.

Meiner Meinung nach passt Murakamis literarische Welt besser zur Form des Romans als zur Kurzgeschichte. Die Kurzgeschichte bietet nicht genug Raum für seinen nachdenklichen Tonfall.

Interessant ist, dass viele Jahre vor Murakami auch die iranische Autorin Mahshid Amirshahi ein Buch mit genau demselben Titel veröffentlicht hatte – Erste Person Singular. Eine Sammlung von Kurzgeschichten, die im Jahr 1971 erschienen ist. Zwar gibt es keinen inhaltlichen Zusammenhang zwischen den beiden Büchern, doch es lohnt sich, auch die iranische Version zu lesen. Anders als Murakami schreibt Amirshahi in einem direkten, einfachen und flüssigen Ton.

Dieses Feld ist obligatorisch

* Kennzeichnet erforderliche Felder
Bei der Übermittlung Ihrer Nachricht ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Wenn du eine Antwort von mir möchtest, hinterlasse mir gerne deine E-Mail-Adresse auf der Seite „Kontakt“ oder schreibe mir eine DM auf meinem Instagram-Account. :)

© Urheberrecht. Alle Rechte vorbehalten. 

Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen

Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.