Schwebe
Kurz über mein Buch

Ich habe mich selbst nie als Schriftstellerin gesehen. Nicht in der Grundschule, als ich im Aufsatzunterricht zwei Seiten über mich schrieb und meine Klassenkameradinnen vor Lachen kaum atmen konnten. Nicht in der Mittelstufe, als ich eine Schülerzeitung gründete, sie fast allein schrieb, und sie nach der dritten Ausgabe von der Schulleitung verboten wurde. Auch nicht später, als mein damaliger Chef – selbst Autor – mich zum Schreiben ermutigte.

Schreiben war für mich wie gut kochen oder schnell laufen: eine Fähigkeit, aber kein Etikett. Ich war jemand, die schrieb. Jemand, die gut schrieb. Aber keine Schriftstellerin.

Bis zu dem Abend, als ich bei einer Lesung in Teheran meine Geschichte „Schwebe“ vortrug und eine junge Frau aus dem Publikum sagte: „Ich glaube, Mahsa wird eine gute Autorin.“ Und der Gastgeber, ein bekannter Schriftsteller, sagte: „Mahsa ist eine gute Autorin.“
An diesem Abend habe ich es zum ersten Mal selbst geglaubt.

Kurz darauf bekam ich endlich meinen Visumtermin. Zwei Jahre lang hatte ich gewartet. Vom Interview bis zur Ausreise vergingen keine zwei Monate. Ich kam mit einem Winterkoffer nach Deutschland. Sechs Monate wollte ich bleiben – fast zwei Jahre vergingen, bis ich zurückkehren konnte. Erst dann brachte ich meinen grünen Ordner mit – darin die Geschichten und Notizen aus den Schreibwerkstätten in Teheran.

Ich erinnerte mich daran, dass ich – in einer Sprache, die wirklich meine ist – gut schreibe. Vielleicht sogar Schriftstellerin bin. Aber für wen schreibe ich? Und warum?

Ich wollte, dass meine Geschichten gelesen werden. Ich wollte, dass man die Menschen, die ich erschaffen habe, liebt oder hasst. Dass man den Schmerz spürt, den ich beschrieben habe, und die Angst fühlt, die ich durch meine Figuren habe sprechen lassen.

Aber ich dachte, es sei noch nicht so weit. Für manche, deren Urteil mir wichtig war, waren meine Texte noch nicht gut genug. Für andere war das Veröffentlichen persischer Literatur außerhalb Irans gleichbedeutend mit dem Tod der Geschichte. Vielleicht hatten sie recht. Vielleicht nicht.
 

Es gibt einen Punkt nach der Migration, an dem man aufhört, sich als Fremde zu sehen – und akzeptiert, dass das Leben oft nur in einer Sprache weitergeht, die nicht die eigene ist.
Für mich begann das „Nicht-mehr-fremd-Sein“ mit dem Versuch, meine Geschichten ins Deutsche zu übertragen. Es dauerte zwei Jahre. Ich hatte das Gefühl, ich könne nichts Neues schreiben, solange ich diese Geschichten nicht abgeschlossen hatte.

Jetzt sind sie nicht mehr bloß lose Blätter in einer grünen Mappe, sondern ein kleines grünes Buch in Buchhandlungen in Deutschland.
Jetzt sind meine Geschichten – genau wie ich – Migranten!

Schwebe ist für alle, die bereit sind, leise Stimmen zu hören. Für Leser:innen, die sich für weibliche Perspektiven jenseits stereotyper Narrative interessieren. Für Menschen, die Literatur schätzen, die nicht erklärt, sondern andeutet – nicht dramatisiert, sondern beobachtet.

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